Du fragtest in einem anderen Thread, ob " Du" oder " es" krank bist? Ich weis es nicht
Hier ist ein Auszug, aus der Quelle, die ich Dir unten angebe! Dort findest du noch mehr zum Thema! bezieht sich auf Deine Antwort hierzu!
lg
[size=small]Die Verliebtheit, das Ich und das Universum
Der wohl unbestreitbare Umstand, daß die Verliebtheit ein psychischer Ausnahmezustand ist, sollte nicht von vornherein als Entschuldigung für Dummheiten herhalten, etwa im Sinne einer Unmündigkeitserklärung. Sie sind zu jedem Zeitpunkt voll und ganz für sich und Ihr Handeln verantwortlich. Jede Verliebtheit, und sei sie noch so aussichtslos und unglücklich, verdient es, daß Sie das Beste aus ihr machen, denn sie weckt die tiefsten und schönsten Gefühle, zu denen Menschen fähig sind, und diese sollten sich ohne ein Gefühl der Scham in Ihre Seele versenken. Was Sie im Zustand der Verliebtheit tun, muß einer kritischen Betrachtung standhalten, vor allem in ihren eigenen Augen. Die größten Opfer einschließlich der größten Peinlichkeiten, erbracht für die Liebe, haben mein Verständnis, vielleicht sogar meine Hochachtung, aber es ekelt mich an, wenn derselbe Mensch hinterher jammert. Unter Umständen sind gerade im Augenblick der größten Verliebtheit Entscheidungen nötig, die Ihnen selbst oder anderen tiefen Schmerz bereiten. Als ich M. verließ, tat ich es deshalb, weil ich nicht wollte, daß der, den ich leidenschaftlich liebte, in eine Situation kommen sollte, in der er mich verletzen würde. Ich glaube, die Entscheidung war richtig, denn ich kann heute an M. denken ohne Vorwurf und Bitterkeit. Ich liebe M. noch immer.
Solange Ihre Liebe sich günstig entwickelt und keine großen Hindernisse auftauchen, werden Sie kaum einen Unterschied zwischen sich als denkendes und handelndes Subjekt und Ihrer Verliebtheit machen. Sie werden sich sagen: Ich bin verliebt. Sie werden das begrüßen und genießen. Die Kraft, die Sie zu dem/der Geliebten hintreibt, werden Sie als ihre eigene Kraft verstehen, Ihre Gefühle und Ihr Denken sind eins, und beide sind auf das gleiche Ziel gerichtet.
Wenn Sie auf Hindernisse stoßen und die Vernunft Ihnen sagt, daß Ihre Liebe unmöglich, hoffnungslos, vielleicht sogar falsch ist, tritt eine Spaltung ein. Sie werden nämlich bemerken, daß diese Einsicht überhaupt nichts an Ihren Antrieben und Wertigkeiten ändert. Sie macht sie höchstens traurig, denn es gibt nur dieses eine Glück für Sie zu gewinnen im Leben und sonst keines.
Am unmittelbar schmerzhaftesten ist es, wenn der/die Geliebte sich an Ihrer Stelle einen anderen nimmt. Neben dem Schmerz durch den Verlust leiden Sie auch unter einer persönlichen Kränkung und unter Eifersucht, jedoch ist die Sache insofern einfach, als Sie keine große Wahl haben. Der Konflikt besteht in dem Fall darin, daß Sie Ihre Verliebtheit gerne los wären. Gäbe es dafür einen Schalter, würden Sie ihn drücken. Jedoch es gibt keinen, Sie müssen warten, bis sie von selbst verschwindet, und hoffen, daß die Wunde ohne häßliche Narben verheilt.
Kaum weniger schmerzhaft aber ungleich schwieriger ist die Situation, wenn innere Konflikte Sie zum Aufgeben der Liebe zwingen. Wenn Sie sich beispielsweise entscheiden, zugunsten Ihrer alten Liebe die neue sein zu lassen. Es wird Ihnen schwer fallen, die Hoffnung fallen zu lassen, besonders dann, wenn Sie einigermaßen sicher sein können, daß alles nur von Ihrer Entscheidung abhängt. Die Gefahr, sich Selbsttäuschungen hinzugeben und doch einen heimlichen Funken Hoffnung am Leben zu erhalten, ist sehr groß.
Die gräßlichsten Konflikte ergeben sich, wenn späte Erkenntnisse die Verliebtheit ihres Werts und ihrer Würde berauben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Sie sich in einen Heiratsschwindler verlieben und entdecken müssen, daß Ihre Liebe einem Wesen gegolten hat, das so, wie Sie es liebten, nie existierte. Solche Erfahrungen sind monströs und können eine Seele sehr nachhaltig verwunden. Sie können sich nur damit trösten, daß niemand davor gefeit ist. (Stendhal: "wenn das geliebte Wesen wirklich gute Eigenschaften besitzt, so verdankt man es bloß einem glücklichen Zufall.")
In all diesen Fällen kommt es zu einem Riß zwischen dem, was die Verliebtheit Ihnen zu wünschen und zu verwirklichen aufträgt, und den Wünschen und Zielen Ihres kritischen Ich. Sie werden versuchen gegen Ihre Verliebtheit ankämpfen.
Bringe Wein, bring Wasser, Junge,
bring uns blumenbunte Kränze
für das Haupt, hol her, ich will jetzt
mich mit Eros fäustlings schlagen.
(Anakreon, Übers. W. Marg)
Es wird ein bitterer Kampf werden, denn wenn Sie ihn gewinnen, verlieren Sie etwas, das Ihnen bisher ungeheuer viel bedeutet hat. Wenn es Ihnen gelingt, ein Stück Terrain zu erobern, wird dessen Anblick Ihnen vielleicht so trostlos scheinen, daß Sie es umgehend wieder preisgeben und sich lieber in eine wahnwitzige Hoffnung flüchten.
Es gibt tatsächlich eine Möglichkeit, die Verliebtheit über kurz oder lang zum Verschwinden zu bringen: Sie müssen Begegnungen mit dem/der Geliebten meiden, sofern die Umstände das erlauben, und ansonsten auf das Mindestmaß beschränken und als Automat handeln. Sie dürfen nicht beobachten und keine Bilder in der Erinnerung pflegen. Vor allem aber dürfen Sie nicht einen einzigen Wunschtraum zulassen und keinen Gedanken, der Ihnen Hoffnung macht. Wenn Sie sich dabei ertappen, wie Sie still lächelnd dastehen und sich einer Vorstellung hingeben, wie schön es war oder wie schön es hätte werden können, dann ist es zu spät und Ihre Bemühungen sind um gut eine Woche zurückgeworfen. Wenn Sie eine Verwundung davongetragen haben, wird es insofern leichter, als die Beschäftigung mit dem Thema einen charakteristischen Schmerz verursacht, der Sie von gedankenlosen Träumereien abhält.
Mit anderen Worten: Sie müssen im inneren Dialog, den das blinde Organ der Liebe mit Ihrem Geist führt, verstärkt die Kontrolle ergreifen. Da das Ich als bewußte Instanz bisher die Antriebe der Verliebtheit mit entwickelt und gedeckt hat, haben Sie anfangs einen schweren Stand, denn Sie müssen Positionen entgegentreten, die Sie selbst in voller Überzeugung hervorgebracht haben. Umgekehrt ist das Organ darauf ausgerichtet, Widerstände durch eine Verstärkung der Antriebe zu überwinden, und arbeitet ohne Zögern darauf hin, widerstrebende Ich-Anteile zu überwinden. Und da man begreiflicherweise lieber angenehme als unangenehme Gedanken pflegt, besteht die ständige Gefahr, daß die Ich-Fähigkeiten zur Realitätsbewältigung, zur Entwicklung von Vorhaben und zum Treffen von Entscheidungen - ja, man muß es so sagen - korrumpiert werden.
Als ich in U. verliebt war, gewöhnte ich mir an, das Organ der Liebe zu "besprechen". Ich legte ihm also geduldig dar, daß ich ihm falsche Bilder gesandt, zuviel geträumt und zu wenig beobachtet hatte, daß in der wirklichen Welt keine Beziehung zu dem Menschen bestünde, den wir uns gemeinsam erwählt hatten, und eine solche nicht möglich sei. Da das Organ von einer schlichten Art ist, wird es auf derartige Irritationen zunächst mit einer Intensivierung des Verlangens reagieren, es wird Sie in der Folge hartnäckig und subtil dazu verleiten, Um- und Schleichwege zu erfinden, die möglicherweise doch noch zum Objekt führen, es wird Sie die Freundlosigkeit des Lebens kosten lassen, es wird Sie bis zuletzt mit dem Gefühl quälen, daß Sie und dieser eine Mensch füreinander bestimmt sind, und es wird ganz am Schluß einen Ton ausstoßen, den kein Ohr hören und kein Mensch beschreiben kann und der Sie dazu bringt so zu weinen, daß Sie glauben, Sie könnten nie mehr damit aufhören, ehe es sich wieder in seinen unberechenbaren Dämmerschlaf zurückzieht.
Was ich beinahe vergessen hätte zu erwähnen, da ich selbst in dem Punkt nie große Probleme hatte: es ist sehr wichtig, die Macht, die die Verliebtheit dem Ich gegenüber hat, von der Macht zu trennen, die die geliebte Person innehat. Die Macht der Liebe müssen wir anerkennen und respektieren, einerlei ob wie sie begrüßen oder fürchten. Sie treibt uns dazu, Dinge zu tun, die wir unter normalen Umständen strikt von uns weisen würden, und wir können immer nur hoffen, daß es gelingt, Grenzen der Selbsterhaltung rund um den eigenen Lebensbezug zu verteidigen ehe uns die Verliebtheit den letzten Funken Verstand aus dem Hirn bläst. Im Falle einer konflikthaften Liebe steht das Ich also den Antrieben der Verliebtheit gegenüber, die tatsächlich eine schwer kontrollierbare Macht darstellen, und unabhängig davon dem Objekt als realer Person, der in einer Liebesbeziehung nur das zusteht, was wir von uns aus zu geben bereit sind. Ich konnte Formen der Hörigkeit aus Liebe beobachten, die ich mir nur so erklären kann, daß der Liebende entweder diese Unterscheidung nicht trifft, sodaß ihm der/die Geliebte wie ein Gott oder Dämon erscheint, oder eine heimliche Lust aus Erniedrigungen bezieht.
Das Ich, das unsere verschiedenen Antriebe und Lebensbezüge irgendwie zu koordinieren hat, ist aufgefordert, gegenüber der Verliebtheit eine Haltung einzunehmen, die möglichst klar und ohne versteckte Hintertürchen ist. Am schönsten ist es natürlich, sich ihr ohne Vorbehalte hinzugeben, was in dem Fall im Mindesten die Bereitschaft bedeutet, sich auf das Werben, auf das Risiko einer Zurückweisung, auf Schmerz, und letztlich auf die Begegnung mit einem Menschen einzulassen, dessen Wesen jede Menge Überraschungen für Sie bereithalten wird, und das alles nur für die verschwindend kleine Chance, daß er Ihre Liebe erwidert und für eine Nacht, einen Monat oder eine ungewisse Zeit die Sehnsucht gestillt werden kann, die die Liebe Ihnen eingeflößt hat. Wenn Sie dazu bereit sind, dann sind Sie ein glücklicher Mensch, auch wenn die Chancen 1:10 oder 1:1000 gegen Sie stehen.
Vor den größten Schwierigkeiten steht jemand, der sich zwar mit aller Macht zu einem Menschen hingezogen fühlt, gleichzeitig jedoch nicht bereit ist, bestehende, ältere Bindungen aufzugeben, zumal ihm vielleicht sein Verstand sagt, daß er es früher oder später bereuen würde. Wenn Sie beispielsweise beschließen, zugunsten Ihrer bestehenden Partnerschaft einer Verliebtheit nicht nachzugeben, im nächsten Moment aber eine Situation phantasieren, in der Sie die Kontrolle über sich selbst verlieren, dann ist Ihre Haltung noch nicht ganz ausgereift. Das geht auch nicht von heute auf morgen, aber vergessen Sie bitte nicht, daß das blinde Organ der Liebe jede Eingebung belauscht, sodaß Sie sich durch das Wechselspiel von Widerstand und Hoffnung in eine Leidenschaft hineinsteigern können, die praktisch nur auf den Eigenschwingungen Ihrer Unentschlossenheit beruht. Eine Aussprache oder zumindest eine Selbstaussprache in Form eines Tagebuchs oder dergleichen kann in dieser Situation hilfreich sein, da allein das Formulieren der verschiedenen Bestrebungen und ihrer Unvereinbarkeiten das Ich stärkt und Einsichten und Entscheidungen eine gewisse Verbindlichkeit verleiht.
Es gibt Grund anzunehmen, daß Verzicht, so notwendig und wohlbegründet er rational auch scheinen mag, in der Logik des Organs eine nicht vorgesehene, unzulässige Operation darstellt. Es beugt sich - und auch das höchst widerstrebend - einzig der schlichten Unmöglichkeit, die sich in Ihrem Innenleben darin manifestiert, daß Ihnen kein Weg mehr einfällt, der Sie dem/der Geliebten unter annehmbaren Umständen näherbringen könnte, und Sie an kein Wunder mehr glauben können. Maßgeblich ist die Phantasietätigkeit. Solange Ihre Phantasie Hoffnung produziert, wird die Verliebtheit Sie bis zur Erschöpfung begleiten. Im Extremfall können die inneren Konflikte Sie dermaßen überfordern, daß irgendwann psychische Kräfte der Selbsterhaltung in Aktion treten, die dem Dauerstreß auf die eine oder andere Art ein Ende bereiten. Das Ergebnis kann mitunter bizarr sein.
Zum Glück verleiht die Verliebtheit dem Liebenden auch ungeheure Kräfte. Er, der sich einem anderen Menschen gegenüber öffnet, dessen verwundbare Seele ungeschützt ist, und der so sehr sensibilisiert ist, daß ein kurzes Lächeln ihn eine Woche lang glücklich macht, kann Unglück von einem Ausmaß ertragen, das jeden normalen Menschen dazu brächte sich ohne eine Sekunde der Überlegung schreiend aus dem nächsten Fenster zu stürzen.
Ich führe diese Kräfte darauf zurück, daß wir im Zustand der Verliebtheit zu einem besonderen Verhältnis zum Universum finden. Sieht der Verliebte ein Flugzeug am Himmel, so kann er fühlen, was das Flugzeug fühlt, wenn es fliegt. Er spürt den Wind als erotisches Streicheln, das er erwidert, und kann die Gedanken alter Steine lesen. Verliebte verspüren mehrmals am Tag den heiligen Schauer, der ihnen die Verbundenheit mit kosmischen Mächten oder höheren Wesen mitteilt. Menschen wie ich, die ein völlig rationales Weltbild haben, beginnen dann mit den Göttern zu sprechen. Man kann die ozeanischen Gefühle der Verbundenheit mit dem Universum (die genaue Beobachtung dieser Gefühle verdanke ich H.) auf die körpereigenen Drogen zurückführen, die uns durch die Verliebtheit zufließen. Ich bevorzuge aber, ohne dem zu widersprechen, die Binnenperspektive, und die sieht so aus, daß wir Bilder brauchen, die unsere Gefühle tragen können. Der Verliebte streut seine Liebe über das ganze Universum aus. Er kann gar nicht anders. (Die Erkenntnis, daß der Mensch an sich ein liebenswertes Geschöpf ist, wäre mir ohne gelegentliche Verliebtheit schwer zugänglich.) Die Gefühle, die einem die Liebe gibt, können nicht richtig zugeordnet, schon gar nicht gehortet werden: es sind die Gefühle der Welt, die man sich belebt denkt und der man sich verbunden fühlt. Am Tag des Unglücks gibt einem die Resonanz aus den geschaffenen Verbindungen vielleicht Kraft genug, um es zu bewältigen.
Die Sache mit den Göttern hat auch den Hintergrund, daß ich die Verliebtheit an sich als etwas Gegebenes betrachte, dem Willen entzogen. Als neugieriger Mensch kann man es sich nicht verkneifen, mit der Sache zu experimentieren, wenn man glaubt, ein Stück davon verstanden zu haben. Jedoch, es ist mir niemals gelungen, eine Verliebtheit willentlich herbeizuführen, noch hatte ich jemals die Kraft eine zu unterbinden oder mich abzuschirmen, nur um einer Unruhe in meinem Leben und unberechenbaren Risiken aus dem Weg zu gehen. Ich sehe es daher so: die Liebe ist etwas Göttliches und Gottgegebenes, was wir dann daraus machen ist unsere Sache und nie vollkommen.
Abgesehen von diesen eher esoterischen Überlegungen ist die Verliebtheit eine reale Macht in unserer Welt, sie bringt die Menschen dazu, aus sich herauszutreten, über sich selbst hinauszuwachsen, die verrücktesten Dinge zu tun, Grenzen zu überschreiten, und Mühen auf sich zu nehmen, um einander nahe zu kommen und einander - vielleicht - zu finden. Daher wird sie von den Künstlern seit jeher verehrt, während ihr die Hüter der Grenzen und Hürden mit Argwohn begegnen. Jede Verliebtheit, völlig unabhängig davon, ob sie sich erfüllt oder nicht, ist eine Chance im Menschenleben, sich aus der Perspektive des Alltags zu erheben. Sie legt Kräfte frei, die unter anderen Umständen nie zum Vorschein gekommen wären. Insofern ist keine Verliebtheit vergebens, und wenn es einem gelingt, im aussichtslosen Fall daraus zu flüchten, war auch das nicht vergebens. In jedem Fall bleibt die Erinnerung an einen ganz besonderen Menschen mit mehr oder weniger vielen Schattenseiten, dem man sich genähert hat soweit die Kräfte und die Umstände es zuließen. (Leider kommt es sehr selten vor, daß zwei zugleich im richtigen Moment zupacken.)
Oft bleibt auch ein gewisser Wesenszug, eine Geste, eine Eigenheit, die durch Identifikation, gewissermaßen als bleibendes Andenken, in das eigene Selbst übergeht - Homosexuellen fällt das vielleicht leichter als Heterosexellen. Die weltfremde Versponnenheit, die mich dazu bringt, solche Texte zu schreiben, habe ich L. zu verdanken, meiner ersten großen Liebe.
Einen negativen Effekt hat die Verliebtheit auf die Wirtschaft. Verliebte essen wenig und sind an Konsumgütern und Zerstreuung kaum interessiert. Durch ihre Geistesabwesenheit sind sie auch die denkbar schlechtesten Arbeiter.
http://members.chello.at/wiener.freiheit/l-file.htm
[/size]