Mein liebes Tagebuch...

...Heute hat mich etwas sehr aufgebracht, weshalb ich dich -einmalig- verschoben habe. Keine Sorge... Morgen geht es an alter Stelle weiter...

Pille und Palle liegen sich gerade weinend in den Armen, ihre kleinen Nasen an meinem Smiley-Halstuch trocknend! Dabei fing der Tag so gut an: die tiefen und stimmungsdrückenden Wolken sind über Nacht abgezogen und über Borkum liegt ein strahlend blauer Himmel. Wunderschön!

Nach einem herrlichen Spaziergang mit nackten Füßen durch die Nordsee ging es dann, schon wieder hungrig (muss an der Luft hier liegen - oder an den Wechseljahren), in eine der am Strand aufgereihten Milchbuden. Und dort haben wir ein Gespräch mitbekommen, was mir das Wasser in die Augen trieb: die Borkumer Kurverwaltung ist fester Überzeugung, dass die Zeit der Milchbuden, so wie ich und viele andere sie kennen, abgelaufen ist!!! Sylt und Norderney sind jetzt wohl Vorbilder, denen man nachzueifern versucht!!! Mein liebes Tagebuch... Du erlebst mich gerade fassungslos! Bislang waren die Milchbuden in fester Hand der Insulaner. Entweder wurden sie an die nächste Generation weitergegeben oder haben den Eigentümer bei Renteneintritt gewechselt. Als Kind schon haben wir dort unsere Dickmilch gekauft, sie stolz zu unseren Eltern an den Strandkorb gebracht und mit einem Genuß verdrückt, der mit nichts sonst auf dieser Welt zu vergleichen war. Barfuß eingetreten in ein kulinarisches Kinderparadies: Schleckmuscheln... Brauselippenstifte... Brauseketten und -uhren. Für Vati hab es ein kühles Blondes und für Mutti ein Stück Apfelkuchen. Oder mittags eines der leckeren Süppchen. Von Linse über Erbse zur Kartoffel und inzwischen ja auch Krabben.... Und verwegen sahen und sehen Sie aus, die Mulchbuden.... Ein wenig windschief, so hat es den Eindruck... Sie trotzen dem stürmischen Wetter und heizen wunderbar auf, wenn die Sonne scheint... aber dagegen kann man dann ja draußen sitzen... auf den so gemütlichen, rustikalen Bretterterrassen!

Und irgendwann in den Jahren kamen dann die eigenen Kinder. Und immer noch haben diese 'ollen' Milchbuden ihren besonderen Charme, der auch die Kinderherzen einer weiteren Generation erfasst hat. Mit LangneseEis und Brauseketten, mit Schleckmuscheln und dem ersten eigenen Einkauf, bei welchem sich kleine, pummelige Fingerchen um das erste erkämpfte 1€-Stück geschlossen haben. Mutig auf die Zehenspitzen gestellt, um über den 'Tresen' zu blicken und seinen Wunsch zu äußern. Erwachsen werden auf Borkum... in jedem Urlaub ein Stückchen mehr... auch auf den knarrenden Dielenbrettern der Milchbuden.

Man kennt die Gesichter der Milchbudenbesitzer. Man weiß im Laufe der Jahre wie sie reagieren... was sie für Typen sind. Ach sieh da... ein neues Tattoo... ein Bart - na ja.... ach sieh mal... seine \ihre Kinder sind aber schon groß! Urlaub an der Nordsee ist anders... Entweder man liebt ihn, oder man hasst ihn. Ein Stückchen Heimat fern der Heimat... Und für jeden Urlauber gibt es 'seine' Insel. Borkum ist für Familien... nix SchickiMicki... nix Champus - Fasanenbrause! Nix Stoffserviette -Papier! Nix Kaviar - Fischbrötchen. Wer einmal hier war kommt immer wieder!!! Gerade und ausschließlich deshalb! Dem rauhen Charme geschuldet!

Bitte, liebe Stadtverwaltung... wie kommt man nur auf die abstruse Idee Sylt und Norderney nacheifern zu wollen? Die charaktervollen Milchbuden gegen weichgezeichnete Touristenkioske oder ähnliches auszutauschen zu wollen? Etwa 40 Borkumer Familien durch Neuausschreibumg der bisher angestammten Milchbudenplätze die Existenzgrundlagen zu rauben?

Ich will das alles nicht - und ich glaube, dass ich da nicht alleine bin. Ich WILL mein mein bisschen Idylle behalten... ICH WILL MEINE OLLE MILCHBUDE!!!

Und jetzt muss ich mich um mein Halstuch kümmern... Pille und Palle haben sich bereits das nächste gegriffen